Ein Blick hinter die Maske

Saviour Machine - Rarities / Revelations

Im Frühjahr 2006 - während die Produktion von Legend Part III:II sich noch auf unbestimmte Zeit hinauszögert - wurde sie fertiggestellt und an all jene Fans versandt, die sie zuvor exklusiv über die Homepage der Band bestellt hatten: Die simpel aufgemachte 4er-CD-Box Rarities / Revelations. Ohne Zweifel ist die streng auf 500 Exemplare limitierte Box eine einmalige Sache - nicht zuletzt, weil unter den gesammelten Raritäten auch einiges an "qualitativ minderwertigem" Material zu finden ist. Eric Clayton, der für die Produktion der Box verantwortlich ist und zudem jedes Exemplar unterzeichnet hat, verwendet einen Großteil des gedruckten Geleitwortes darauf, zu erklären, wie er dazu kam, den Sprung über den eigenen Schatten zu wagen und seinen Perfektionismus einmal außen vor zu lassen.

Im Folgenden ein paar Anmerkungen zum Inhalt der vier Silberlinge:

Die chronologische geordnete Reise beginnt im Jahr 1990, kurz nach Gründung der Band: Sowohl die Coverversion von David Bowies 1971er Stück "Saviour Machine" (nach welchem sich die Band offenbar benannt hat) als auch "Leaves" liegen in unvollendeten Demoversionen vor. Die Tonqualität ist natürlich im wahrsten Sinne des Wortes be-rauschend, und die Musik strotzt noch vor der rauen Aggression und Experimentierfreude, die das Projekt in seiner frühsten Phase an den Tag legte. Es folgt die einzige existierende Aufnahme des danach ebenfalls in die Tonne gekloppten Stückes "Church of the Vatican Slaves" - eine Bootleg-Aufnahme in sehr schlechter Qualität, aber immerhin: Noch ein ungehörtes Stück! Mit dem Sprung ins Jahr 1991 wird die Qualität der Musik schon etwas erträglicher: "A World Alone" und "Ludicrous Smiles" als Demoversionen, letzteres mit überraschenden Tempowechseln... Bei "The Pain" und "Son of the Rain" handelt es sich um Privataufnahmen aus dem Hause Clayton - Eric singt übervorsichtig in ein übersteuerungsanfälliges Mikro und klimpert dazu billig auf dem Keyboard rum, und im Hintergrund kommt seine Frau nach Hause, wird freudig vom Hund begrüßt und zerschmeißt ein Glas... Es folgen ein paar sehr schöne Aufnahmen eines Akustikkonzerts aus dem Jahr 1992, das deswegen zum Akustikkonzert wurde, weil der Drummer ein paar Stunden früher ausgestiegen ist... besonders das Stück "The Veil of Armageddon" (bekannt vom Demo 1990) finde ich hier interessant umgesetzt. Danach gibt es einen kurzen Ausschnitt aus einem "christlichen" Radiointerview aus dem Jahre 1993, in dem es um die Klärung einiger Missverständnisse zum Thema Saviour Machine gehen sollte (allerdings bricht dieser Ausschnitt bereits nach der ersten Frage ab, so dass ich jedes Mal lächeln muss: "Hättet ihr vorher gedacht, dass ihr diese Probleme bekommen würdet?" - Eric: "Ja."), und dann die (professionell gemachten) Demoversionen zweier Tracks von Saviour Machine I, bei denen der Gesang etwas mehr im Vordergrund steht als bei den Albumversionen. Die Demoversionen von "Enter the Idol" und "The Hunger Circle" - beide bereits kurz nach der Fertigstellung von Saviour Machine I gemacht - beschließen die erste CD.

Die zweite Scheibe beginnt mit einer Version von "Saviour Machine I", die der fertigen schon ziemlich ähnelt, und einer Instrumentalversion von "The Stand", die noch ein wenig länger als die Albumversion ist. Als nächstes folgen drei kurze "Gitarrendemos" von Legend Part I-Stücken aus dem Jahre 1995, die dadurch entstanden sind, dass Eric seinen Bruder Jeff bat, irgendetwas aufzunehmen, was ihm zu Überschriften wie "The Beast" oder "World War III" einfiel. Bei "The Sword of Islam" und "Kings of the North" handelt es sich um interessante Instrumentalaufnahmen aus dem Proberaum. Weiter geht es mit fünf Liveamitschnitten von der Deutschlandtour 1996 - davon einzig "Enter the Idol" voll instrumentiert, und vier Akustik-Versionen weiterer Klassiker - sowie zwei "reinen" Choraufnahmen für Legend Part I. "Behind the Mask" ist ein unveröffentlichtes Stück, das ursprünglich für Legend Part I geplant war, dann aber zu "Behold a Pale Horse" umfunktioniert wurde. Die zweite CD endet schließlich mit einer Liveaufnahme der patriotischen Hymne "America the Beautiful", deren Chorus 1997 ein einziges Mal bei einem Konzert in den Staaten ironischerweise vor "American Babylon" gehängt wurde.

CD 3 beginnt mit einigen instrumentalen "rough mixes" von Legend Part II-Tracks, die den Albumversionen bereits erstaunlich ähnlich klingen - und siehe da, "World War III - II" war ursprünglich um einige Minuten länger als auf dem fertigen Album. Das "Kaos Mix" von "Behold a Pale Horse", das eigentlich für die gleichnamige Single gedacht war, macht seinem Namen alle Ehre... Ausschnitte aus Legend Part II werden ohne Rücksicht auf Harmonie und Rhythmus in das Stück "eingeblendet". Es folgt eine professionelle Liveaufnahme von "The Eyes of the Storm" - beim Halloweenkonzert 1998 aufgenommen, bei dem sich SM die Bühne mit Wedding Party und Rackets & Drapes teilten. Mit Riesenschritten geht es voran: "Revelation 13" liegt als Demoversion (ohne Gitarren!) vor, und 2001 haben Saviour Machine auf dem Cornerstone-Festival offenbar Stücke gespielt, die man live selten hört - "Christians and Lunatics" oder "Ascension of Heroes" etwa. Die zweite Hälfte dieser Scheibe befasst sich jedenfalls mit jenem Konzert und endet mit den (a capella von Eric Clayton und William von Wedding Party gesungenen) letzten paar Zeilen aus "The Promise", bei denen man das "Knistern" in der Luft förmlich spüren kann.

Die vierte CD beginnt mit fünf Stücken aus einem Mitschnitt des CRN-Konzerts 2001 und dem anschließenden (sehr unterhaltsamen) Interview inklusive deutschem Simultanübersetzer. Nach einem Carljohan-Grimmark-Gitarrensolo, das eigentlich für "The End of the Age" gedacht war, bestehen die letzten 40 Minuten aus Material, das extra für diese Box erstellt wurde: Alternative Versionen von Stücken von Legend Part III:I. Den Anfang macht "Twelve-Hundred-Sixty Days" als reine Pianoversion, als sechseinhalbminütiges Solo sozusagen. Stücke wie "The Ancient Serpent", "The Dead Sea" oder "Image of the Beast" erscheinen hier im düstereren Gewand, mit weniger Fokus auf die Gitarre als bei den Albumversionen, ohne traditionelles Schlagzeug und dafür mit "erdigen" Percussions. Besonders das "Abomination of Desolation"-Remix wirkt mit furiosem Paukengetrommel und fast ganz ohne melodietragende Instrumente viel martialischer als die doch eher rockige Albumversion. Fast wie eine Kreuzung aus Peter Gabriels Passion-Album und Sophia... Eric hat übrigens bereits angedeutet, dass der Sound der neuen Versionen als eine kleine stilistische Vorschau auf Legend Part III:II zu betrachten sei... Heraus sticht auf jeden Fall noch die Montage "III:I / Voices and Judgements", die nur aus übereinandergeschichteten und teilweise leicht veränderten Vocaltracks von Legend Part III:I besteht und wohl zu dem Angsteinflößendsten gehört, was Saviour Machine je hervorgebracht haben. Das letzte der insgesamt 64 Stücke ist "The End of the Age" als reine Piano/Vocal-Version. Beeindruckend...

Insgesamt hält Rarities / Revelations genau das, was der Name verspricht - fünf Stunden Raritäten und Offenbarungen aus der gesamten musikalischen Karriere des Projekts. Da über die Hälfte des Materials nicht professionell aufgenommen wurde und die Box ohnehin streng limitiert ist, kann auf jeden Fall jetzt schon von einem echten Sammlerstück die Rede sein - wobei es fast ein bischen schade um die zweite Hälfte der letzten CD ist - die neuen Versionen von Legend III:I-Tracks sind so gut, dass sie von allen gehört werden sollten...

Hier kann man in die Box reinhören, und die vollständigen Bemerkungen Eric Claytons zu den einzelnen Stücken gibt es hier.

Patrick Maiwald, 07. 03. 2006


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=> Saviour Machine (Homepage)

=> Saviour Machine - Demo 1990 (Rezension)
=> Saviour Machine - Saviour Machine I (Rezension)
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=> Saviour Machine - Legend Part II (Rezension)
=> Saviour Machine - Behold a Pale Horse (Rezension)
=> Saviour Machine - Legend Part III:I (Rezension)