Um direkt mit der Tür ins Haus zu fallen: Ich mag C. S. Lewis nicht. Ganz einfach: Ich mag ihn nicht. Womit ich mich an dieser Stelle vermutlich von der Hälfte der potentiellen LeserInnen verabschiedet habe.

Der verbleibenden Hälfte freilich kann ich einige Gründe nennen, warum dem so ist:

Früher (also ganz ganz früher - Deutschland hatte noch einen Kanzler namens Schmidt, eine Mauer und eine Mannschaft, die Fußballweltmeister war), früher gab es auch schon mal so was wie "Fantasy". Nicht in dem Ausmaß wie heute und literarisch eher der links-alternativen Ecke zugeordnet, aber trotzdem mit Büchern, die bis heute bekannt sind: "Die unendliche Geschichte", "Momo", "Der Herr der Ringe", "Erdsee" und "Die Nebel von Avalon", dazu mit Wolfgang Hohlbein den bis heute aktuellen Marathonman des Schreibens und noch einige andere, eher vergessene Werke, die aber durchaus lesbar waren (wer kennt noch Patricia Mc. Killip?).

Einziges Problem: "Wir", also die, die in CVJM und freier Gemeinde ihre Zeit verbrachten, durften das nicht lesen.
Ja... Könnt Ihr jetzt glauben oder nicht. Aber ein untrügliches Zeichen einer Bekehrung bestand damals darin, seine Platten zu verbrennen und seine Bücher direkt mit. Sonst war man kein Christ, jedenfalls nicht so richtig. Und Fantasy war von Anfang an anrüchig: Entweder direkt von "neuen Hexen" geschrieben ("Die Nebel von Avalon"), oder von einem Anthroposophen wie Michael Ende (zwar wusste keiner so ganz genau, was das ist - aber dass es ganz ganz schlimm war, das stand fest), oder aber - und das war der schrecklichste der Schrecken - der Autor hieß J.R.R. Tolkien. Denn der war Katholik, und die Minderheit, die die Katholiken für die geschickteste Tarnmaßnahme des alten Mr. D hielt, war damals noch deutlich größer als heute. Und da es damals weder Frank E. Peretti noch "Left Behind" gab (die Quote grenzdebiler frommer Literatur mithin deutlich geringer als heute war), "wir" aber andererseits auch gerne Fantasy lesen wollten, blieb nur C. S. Lewis übrig.

Denn der hatte sich mal bekehrt, spektakulär noch dazu, und war so in jedem Fall ein echter, richtiger, lesbarer christlicher Autor. Und so habe ich mich durchgelesen oder eher durchgequält.

Wobei ich C. S. Lewis als Essayisten, der über Ursprung und Ziel des Bösen nachdenkt ("Perelandra" und die "Dienstanweisung") noch ganz interessant fand. Und "Pardon, ich bin Christ" ist als Einleitung ins Christsein sogar ganz brauchbar.

Aber "Narnia"? - Flache, voraussehbare Handlung in verschwurbelter Sprache. Wer meint, dass Tolkien stilistisch nicht unbedingt das Größte ist, seit es geschriebene Buchstaben gibt (unvergessen etwa folgender Satz: "Dennoch will ich die weiße Herrin von Rohan ehelichen, wenn es ihr Wille ist" - das sind genau die Worte leidenschaftlicher Liebe, die jede Maid dieses Planeten vor Sehnsucht schmelzen lässt, wenn sie nicht vorher vor Lachen eingegangen ist, natürlich), der wird mit Lewis nicht unter drei Bänden gestraft. Und dass in der Welt von Narnia böse grundsätzlich böse ist und gut grundsätzlich gut, dass es vor schwarz-weiß-Malerei nur so strunzt, dass die Bücher weder die Skurrilität eines Philipp Ardagh oder eines Lemony Snickett, noch die Spannungskurve eines Harry Potter, noch die gestalterische Kraft des "Herrn der Ringe", noch die Lebendigkeit der "Tintenwelt" haben, schmälert das Lesevergnügen durchaus.

Natürlich kann man einwenden, dass "Narnia" für Kinder geschrieben ist - aber das sind die anderen erwähnten Bücher auch, und frage ich meine Tochter, dann liest sie lieber dreimal "Tintenblut" als einmal "Narnia".

Entsprechend waren meine Erwartungen auch nicht besonders hoch, als ich dann schließlich ins Kino ging. Und leider wurden sie dort denn auch nicht übertroffen. Was ich zu sehen bekam, war derart auf familientauglich getrimmt, dass es irgendwann nur noch auf die Nerven ging. Wenn sich die Kinder, die in der ersten Hälfte zwar einen Haufen altkluges und gewiss nicht kindgemäßes Zeug von sich geben ("Werd endlich erwachsen!", "Stell dich doch endlich mal der Realität!", "Verzeih, dass ich dich verletzt habe" und einiges mehr), sich aber durchaus real und nachvollziehbar streiten und zanken, in der zweiten Hälfte permanent weinend in den Armen liegen, dann ist irgendwann das Maß überschritten, das aus Rührseligkeit reinen Kitsch macht. Und wenn - ziemlich in der Mitte, am Wende- oder Scheitelpunkt des Filmes - der Weihnachtsmann (!!) auftritt, dann entspricht das zwar dem Buch, ist aber trotzdem der dämlichste deus ex machina, den ich je in einem Film gesehen habe.

Dass einmal mehr alle Bösen fies und hässlich aussehen (einmal mehr scheitert ein Film daran, das Böse so darzustellen, wie es wirklich ist: trügerisch, verführerisch, verlockend), die Guten dagegen schön und edel, kann ich unter "business as usual" verbuchen. Aber dass ausgerechnet dem Löwen eine Synchronstimme verpasst wurde, mit der er geradewegs die Schwuchtelcrew aus dem Traumschiff Surprise hätte becircen können, hat mich lachend in den Sessel geworfen.

Dies alles freilich wäre zu verschmerzen gewesen. Denn immerhin gab es viel Kino fürs Geld, wenig Gewalt, kein Blut und eine moralisch und politisch korrekte message.

Was dann aber das Fass zum Überlaufen brachte, war die hammerharte, so gut wie gar nicht kaschierte und höchst fragwürdige christliche Mitte des ganzen Filmes. Regeln gibt es, so lernen wir, die sind so, dass, wenn sie verletzt sind, in jedem Fall Blut fließen muss. Und sei es das Blut eines Unschuldigen. Der dann aber für dieses Opfer in der Form belohnt wird, dass er aus dem Tod zurück kommt und damit sogar den Tod an sich besiegt. Was auf den ersten Blick nach christlicher Erlösungslehre aussieht, ist bei sorgfältiger Reflektion hochgradig fragwürdig. Denn hier wird zum einen eine geschichtlich extrem belastete Opferideologie unreflektiert fortgeschrieben (immerhin herrscht im Film sowohl in der realen als auch in der phantastischen Welt Krieg, ein Krieg, der in der realen Welt auf dem Opfer von unzähligen Menschen basierte) und zum anderen die ebenso fragwürdige Anselmsche Satisfaktionslehre einfach als gültige christliche Aussage übernommen. Dass die Kreuzigung Christi auch anders als in juristischen Kategorien verstanden werden muss, dass es auf Golgatha um ein Ereignis göttlicher Liebe geht und nicht um die Einhaltung abstrakter Forderungen und dass Erlösung von Gott her seiner Liebe zum Menschen entspringt - was die elementare Voraussetzung für den Tod Christi auf Golgatha ist - kommt überhaupt nicht in den Blick. Diese verzerrte Theologie ist es, die mir Narnia endgültig verleidet hat.

Aber es gibt ja noch Hoffnung...
Ganz am Ende, im Nachspann nach dem Abspann, werden bereits Fortsetzungen angedeutet. Vielleicht kriegen die dann ja die Kurve?

Oder vielleicht schreibe ich einfach mal einen Fantasyroman? - Den Anfang kenne ich schon: "Es war einmal ein schönes, großes, reiches Land mit einer alten, hässlichen Königin..." Aber das kauft dann bestimmt keiner.

Heiko Ehrhardt


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